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Gesundheitsgefährdung durch niedrige Strahlungsdosen

10.3.2021

Immunsystem scheint generell durch erhöhte Strahlungsexposition zu leiden

Am 27. Februar 2021 fand das Symposium der IPPNW (Ärzte gegen Atomgefahren bzw. International Physicians for the Prevention of Nuclear War) statt, das sich anlässlich des 11. März als 10. Jahrestags der Nuklearkatastrophe von Fukushima widmete, dem zweiten globalen Supergau in einem Atomkraftwerk. Der Vortrag von Wolfgang Hoffmann zum Thema Gesundheitsgefährdung durch niedrige Strahlenbelastung war eine generelle Einführung zum Thema. Er betonte das große Glück der japanischen Bevölkerung, da der Wind den größten Teil der radioaktiven Wolke auf das offene Meer hinaustrieb und nicht an Land (oder gar in Richtung Tokio!).

Hoffmann begann bei dem anderen großen Super-GAU: Tschernobyl: Die bisher ausgewerteten Daten zeigen, dass zwar keine direkten Fälle von Kehlkopfkrebs bei Kindern und Jugendlichen in Belarus auf erhöhte Strahlungsexposition zurückzuführen waren, jedoch zeigte die statistische Auswertung ein beklemmendes Bild: Die Fälle dieser Krebsart stieg in den Jahren nach der Reaktorkatastrophe sprunghaft an, um danach jedoch wieder abzuebben. Dafür verschob sie sich mit dem Älterwerden der damals betroffenen Kinder ins Jugend- und Erwachsenenalter. Die Tschernobyl-Generation wurde quasi von einer erhöhten Krebsrate „verfolgt“.

Dies sind Erkenntnisse aus einem Katastrophengebiet, wie auch Fukushima eines ist. Dramatische Beobachtungen, die meist still und leise in den Tiefen der Statistik untergehen, gibt es jedoch aus ganz normalen, „zivilisierten“ Gebieten wie Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Frankreich: überall dort konnten regelrechte „Leukämiecluster“ von Kindern nahe von Atomkraftwerken beobachtet werden. Die Distanz zum nächsten Reaktor und die statistische Häufung von Krebserkrankungen fallen zu 95% zusammen. Hoffmann wies unter anderem auch auf die natürliche Hintergrundstrahlung hin, die ebenfalls in manchen Gegenden erhöht ist (etwa durch schwach radioaktives Gestein im Untergrund) und sich besonders im Gebäudeinneren konzentrieren kann.

Statistisch bedeutet, so Hoffmann, eine Erhöhung der Strahlung um 100 Becquerel pro m³ eine Erhöhung der Krebsrate um 11%. Auch in den USA gibt es Beobachtungen, etwa über Röntgenuntersuchungen. Die dabei erfolgte Strahlungsexposition führt bei schwangeren Frauen zu einem erhöhten Krebsrisiko ihrer Kinder. Das Risiko steigt ab 4-5 Röntgenuntersuchungen stark an. Auch CT-Scans sind keineswegs ungefährlich. Einer von achtzig CT-Patienten kann erkranken. Besonders betroffen sind Frauen, bei denen das Brustkrebsrisiko stark erhöht ist. Statistisch gesehen werden so jedes Jahr 29.000 zusätzliche Krebsfälle durch CT-Scans verursacht. Prof. Hoffmann meinte daher, dass ein MRT unbedingt vorzuziehen sei.

Kernkraftmitarbeiter sind aufgrund ihres Arbeitsplatzes einer erhöhten Strahlung ausgesetzt, auch die Grenzwerte für Strahlenbelastung liegen bei ihnen deutlich höher als beim Rest der zivilen Bevölkerung. Allerdings ist damit auch ihr Krebsrisiko doppelt so hoch. Lange Zeit galt ein Zusammenhang von chronischer Leukämie und erhöhter Strahlung als ausgeschlossen, doch das ändert sich nun. Prof. Hoffmann berichtete, dass ScienceDirect an diesem Punkt eine Kehrtwende in ihrer Haltung erwägt. Das ist wichtig für Kompensationszahlungen an Krebsopfer, die erhöhter Strahlung ausgesetzt waren/sind. Weiters wurde jüngst entdeckt, dass nicht nur ein Zusammenhang zwischen erhöhter Strahlung und Krebserkrankungen besteht. Auch Schlaganfälle und Herz-Kreislauferkrankungen sind bei Menschen, die geringeren Strahlungsdosen ausgesetzt waren, deutlich häufiger anzutreffen. Sie sind auch stärker von der Gefahr für Autoimmunerkrankungen betroffen. Das Immunsystem scheint generell durch erhöhte Strahlungsexposition chronisch zu leiden.

All diese Erkenntnisse führen zu einem langsamen Wandel im Umgang mit künstlichen Strahlungsquellen. Heute wird ihre Gefährlichkeit als mindestens doppelt so hoch eingeschätzt wie noch vor zwanzig Jahren, besonders für Kinder, an denen etwa keine CT-Scans mehr durchgeführt werden. Hoffmann erklärte abschließend, dass die Bezeichnung „geringe Strahlendosis“ für jede Direktexposition unter 100 mSv (Millisievert) gilt. Höhere Dosen führen bereits zu Symptomen von Strahlenkrankheit.

All das lässt auch für die japanische Bevölkerung nichts Gutes erwarten. Denn der Atomunfall von Fukushima betraf nicht nur die unmittelbar umliegenden Gebiete und die in nordwestlicher Richtung liegenden Gemeinden bis Iitate (ca. 40 km von Fukushima entfernt). Radioaktives Cäsium findet sich sogar noch in der Tokio-Bay, in unmittelbarer Nähe zum heute größten urbanen Gebiet der Welt. Die Konzentrationen sind sehr gering, doch wie Hoffmann erklärte, reichen auch solche kleinen Mengen, um die Gesundheit der Bevölkerung herabzusetzen und die Krebsrate zu erhöhen. Wir können nicht jede natürliche Strahlungsquelle ausschalten oder meiden.

Aber wir haben durchaus die Entscheidung in der Hand, ob wir sie künstlich weiter erhöhen und damit unsere Gesundheit extra schwächen und gefährden wollen – oder nicht. Wolfgang Hoffmanns Darlegungen sprachen für sich: eine bessere, gestärkte Gesundheit und Kernkraft schließen einander ebenso aus, wie eine generell geschwächte Gesundheit und Atomkraft einander bedingen.

Zusammengestellt von Renate Brandner-Weiß und Philipp Kronbichler

Quelle:
Low dose radiation health risks Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologe an der Universitätsklinik Greifswald gehalten am 27. Februar 2021 IPPNW-Symposium „10 years living with Fukushima“

Quellen:

www.fukushima-disaster.de (fukushima-disaster.de)

Vortrag auf Youtube online (Englisch, 24 Min.)
•  Low dose radiation health risks, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, Epidemiologist


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