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Aktuelle Situation in Fukushima - Generelle Strahlenbelastung und wandernde Hotspots

8.3.2021

Current situation in Fukushima

Vortrag von Shaun Bernie, Senior Nuclear Specialist von Greenpeace,

gehalten am 27. Februar 2021 beim IPPNW-Symposiums

„10 years living with Fukushima“

Am 27. Februar 2021 fand ein Symposium der IPPNW (Ärzte gegen Atomgefahren bzw. International Physicians for the Prevention of Nuclear War) statt, das sich anlässlich des nahenden 10. Jahrestags der Nuklearkatastrophe von Fukushima widmete, dem zweiten globalen Supergau in einem Atomkraftwerk. Der erste Vortrag kam von Shaun Bernie, Nuklearspezialist bei Greenpeace, der jahrelang die Situation vor Ort beobachtet und mit seinen Mitarbeitern Proben genommen und Strahlungswerte gemessen hat.

Die größte Gefahr geht immer noch vom Kraftwerksgelände aus, wo sich mittlerweile 1,23 Millionen m³ kontaminiertes Wasser befinden, das die Regierung am liebsten ins Meer entsorgen möchte. Die Masse der geschmolzenen Reaktorkerne im Inneren der Reaktoren wird auf 600-1100 Tonnen geschätzt. Sie sind nach wie vor unzugänglich. All dieses strahlende Material soll nach dem Wunsch der Regierung in den nächsten 3-4 Jahrzehnten, spätestens bis Mitte der 2050er Jahre vom Gelände entfernt werden. Nach Shaun Bernie illusorisch. Das Material wird viele Jahre bis Jahrhunderte auf dem Kraftwerksgelände verbleiben müssen.

Der Nuklearwissenschaftler konzentrierte seinen Vortrag jedoch hauptsächlich auf die Situation der umliegenden Gebiete, die durch ungünstige Windrichtung am 13.-16. März stark verstrahlt wurden, hauptsächlich durch radioaktives Cäsium (Halbwertszeit 30 Jahre). Der Wind blies die giftige Wolke bis nach Iitate, ca. 40 km nordwestlich vom Kernkraftwerk entfernt. Die Evakuierungszone 20 km rund um die Unglücksstelle war also unzureichend. Seit 2012 betreibt die japanische Regierung in der Folge ein beispielloses Dekontaminierungsprogramm, in welchem 9,1 Millionen m³ kontaminierter Böden, sowie 17 Millionen Tonnen von anderem Atommüll gesammelt wurden, die nun ebenfalls auf dem Kraftwerksgelände von Fukushima lagern.

Die Kosten dafür beliefen sich bisher auf über 30 Milliarden Dollar, was einmal mehr zeigt, welche immense Kostenfalle die Nutzung der Kernenergie darstellt. Die japanische Regierung verkündete im Jahr 2018, dass die Dekontamination im Wesentlichen abgeschlossen sei, der angestrebte Grenzwert vom 0,23 μSv/h (Mikrosievert pro Stunde) nirgendwo mehr überschritten werde, außer in wenigen, jedoch bekannten „Strahlungs-Hotspots“. Zum Vergleich, die natürliche Hintergrundstrahlung in den verstrahlten Bezirken betrug vor der Katastrophe 0,04 μSv/h.

Die gemessenen Daten von Greenpeace zeigen eine andere Realität.
Shaun Bernie berichtete von gemessenen Maximalwerten von über 24 μSv/h und durchschnittlich 4 μSv/h etwa in Obori. Das Schlimme: Selbst bei weitreichender Dekontamination der urbanen Gegenden ist eine vollständige Reinigung des gesamten verstrahlten Gebietes illusorisch. Ein großer Teil der Gemeinde Iitate etwa ist gebirgig und dicht bewaldet. Für eine vollständige Dekontamination müsste jeder Baum mit Hochdruckreinigern abgespritzt werden und die oberste Bodenschicht komplett abgetragen und ersetzt werden. Die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens sollte jedem klar sein. Das führt dazu, dass bei schweren Regenfällen, die in dieser Gegend regelmäßig auftreten, radioaktives Material in bisher unbelastete Gebiete – im schlimmsten Falle in bereits dekontaminiertes Gelände – geschwemmt wird.

Hinzu kommt noch die radioaktive Belastung der Gewässer, die im Fluss Takase im Jahr 2018 durchschnittlich 0,8 μSv/h betrug. Kopfschütteln rief bei Shaun Bernie auch die Planung der olympischen Sommerspiele 2021 hervor, bei denen zwei Events in Fukushima-City stattfinden sollen. Greenpeace maß die dortige Strahlenbelastung, die mittlerweile im Durchschnitt mit 0,1 μSv/h unter den von der Regierung angestrebten Grenzwert gesunken ist. Abgesehen davon, dass sie gegenüber der normalen Hintergrundstrahlung immer noch um mehr als das Doppelte erhöht ist, maßen die Greenpeace-Mitarbeiter einzelne radioaktive Hotspots von bis zu 73 μSv/h, sowohl im J-Village, wo die AthletInnen untergebracht werden sollen, als auch im Stadion selber!

Das Tückische an der Situation ist, dass die vorhandenen radioaktiven Hotspots nicht dauerhaft stationär sind, womit sie verhältnismäßig leicht abgesperrt und gekennzeichnet werden könnten. Durch die vielen Regenfälle bewegen sie sich und wandern, lösen sich vielleicht an einem Ort auf und entstehen dafür an einem nächsten neu. Die Strahlung ist für Besucher nach Einschätzung von Shaun Bernie zwar nicht gefährlich, für dauerhafte Bewohner des Gebietes jedoch sehr wohl. Von daher ist das Handeln der japanischen Regierung, bei allem Verständnis für den Wunsch nach Rückkehr der Bevölkerung, hochgradig verantwortungslos.

Zusammengestellt von Renate Brandner-Weiß und Philipp Kronbichler

Quellen:

Deutsche Information | Fukushima Desaster (fukushima-disaster.de)

• Video vom Vortrag (Englisch, 28 Min.):
(5) The current situation in Fukushima, Shaun Burnie, Senior nuclear specialist

Foto: Global 2000, bearbeitet R. Brandner-Weiß


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