Aktuelle Infos zu Kernkraft und Atommüll-Endlagersuche
Zum „ausgewählt demokratischen“ Zeitpunkt von 22 Uhr am Silvesterabend 2021 detonierte der erwartete Complementary Delegated Act europaweit, nachdem er an die Mitgliedstaaten ausgeschickt und seinen Weg in die führenden Zeitungen gefunden hat.
Erwartungsgemäß fanden sich Kernenergie als auch Erdgas als Übergangstechnologien darin, somit werden Ländergruppen wie Frankreich und Tschechien, aber auch die Freunde von Erdgas bedient. Somit ist gesichert, dass Rat und Europäisches Parlament nicht Nein sagen. Können sie auch kaum: Da es sich um kein reguläres gesetzgebendes Verfahren handelt, gibt es keine Abänderungsvorschläge, sondern nur JA oder NEIN zum ganzen Dokument. Man könnte auch sagen, „die Krot schlucken“, so nicht eine qualifizierte Mehrheit im Rat (Mehrheit der Länder bzw. 65% der EU-Bevölkerung repräsentierend) und Mehrheit im Plenum des Europäischen Parlaments dagegen stimmt.
Zur Erinnerung:
Die EU-Taxonomie soll eine Liste jener Wirtschaftszweige auflisten, die unter Einhaltung von sechs Umweltzielen als nachhaltig zu betrachten sind, so dass die privaten Investitionen zukunftsträchtig ausgerichtet werden können. Und in dieser Branche, etwa den Green Bonds, ist viel Interesse und somit viel Geld vorhanden. Doch auch die Kernenergie und Erdgas wollen dabei sein. Daher musste entgegen den Empfehlungen des ExpertInnengremiums TEG nun noch ein CDA (Complementary Delegated Act) her. Für die Aufnahme von Atomenergie wurden recht billige Kriterien formuliert, die allerdings nur die Einhaltung bestehender Richtlinien in diesem Bereich bedeuten (Atommüllrichtlinie, Sicherheitsrichtlinie). Von deren Einhaltung sollte man ausgehen dürfen, doch vor allem bei der Atommüllplanung sind de facto alle Mitgliedsstaaten im Verzug. Genaueres dazu findet sich im gerade veröffentlichten Bericht des Ökologieinstituts Nuclear Waste Management in the EU (https://www.dont-nuke-the-taxonomy.eu)
Die Taxonomie sieht nur 2 konkrete Kriterien über den aktuellen Rechtsbestand hinaus vor: Um neue Kernkraftwerke in der Taxonomie anrechenbar zu machen, sind vom Mitgliedstaat überzeugende Pläne für einen Betriebsbeginn eines Atommüll-Endlagers 2050 vorzulegen, d.h. nur auf Papier, allerdings mit Finanzierungsplan. So geduldig ist so nicht einmal Papier, wenn etwa Slowenien ganze 200 Millionen Euro im Fonds hat.
Für die alten Kernkraftwerke wird das nicht verlangt, wie überhaupt unklar ist, wie die Nachrüstmaßnahmen genau anrechenbar gemacht werden sollen. In seltener Übereinstimmung schließe ich mich der Stimme der Atomindustrie an, wenn die Europäische Kommission “unfalltolerante“ Nuklearbrennstäbe verlangt: „Die gibt es auf dem Markt nicht.“ Die EU-Kommission bzw. ihr Vertreter auf Erden…nein, in Österreich sprechen von Erfolg, dass kein österreichisches Steuergeld in diese Projekt gelangen würde. Das ist schön, handelt es sich doch um ein Kennzeichnungsschema für Privatinvestoren, kein Förderprogramm.
Als nicht konform mit der Taxonomieverordnung bezeichnete die Plattform for Sustainable Finance den Vorschlag der Kommission. Das ist nun echtes Ungemach, handelt es sich doch um das Beratergremium, welches die EU-Kommission selbst eingesetzt hat, besetzt mit Vertretern von Industrie, Interessensverbänden und NGOs.
Auch das Europäische Parlament sieht nicht ein, dass es nun auf diese Art überfahren wird und protestiert.
Ganz aktuell: Statt den finalen Vorschlag der Europäischen Kommission in den nächsten Tagen zu haben, kann man nun mit einigen Wochen rechnen. Die kann man nutzen.
Mehr Informationen: https://www.dont-nuke-the-taxonomy.eu/ mit Folien vom Webinar am 25. Jänner u.a. zu Auswirkungen der Taxonomie auf den Finanzmarkt.
Zusammengestellt von Patricia Lorenz, bearbeitet von Renate Brandner-Weiß.
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