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Drohender Uranabbau in Grönland gefährdet UNESCO Weltkulturerbe

22.2.2021

Grönland ist weltweit nicht nur für seinen riesigen Eisschild von unfassbaren 2,85 Millionen Kubikkilometern Eis bekannt, sondern auch für seine wilde, rauhe, unberührte Natur. Nur 410.000 km² seiner Fläche von insgesamt knapp 2,2 Millionen km² sind eisfrei, auf denen seine 56.000 Einwohner leben. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie hauptsächlich mit Fischfang, in geringem Umfang auch Schafzucht. Durch die allgemeine Klimaerwärmung, die in diesen hohen Breiten besonders stark spürbar ist, kamen im letzten Jahrzehnt gewisse Gemüse wie Kartoffeln, Brokkoli und Gurken dazu, die in den geschützten Fjorden Südgrönlands angebaut werden können. Diese hohe Abhängigkeit von Importen aus Übersee veranlasste die grönländische Regierung dazu, im Herbst 2013 ein Jahrzehnte altes Gesetz zu kippen, das den Abbau von Bodenschätze verbot. Grönland beherbergt einige der reichsten Vorkommen an seltenen Erden weltweit, sowie umfangreiche Erdöl-, Erdgas- und Uranvorkommen. Durch den Klimawandel weicht der Eisschild immer weiter zurück, mehr Land wird frei, seine Bodenschätze werden damit leichter zugänglich. Wie überall auf der Erde führt das zum Konflikt Technosphäre vs. Biosphäre, Industrie gegen Natur, menschliche Gier gegen landschaftliche Unberührtheit.

Im Süden Grönlands prallen diese Gegensätze besonders grell aufeinander. In den Fjorden dort befinden sich die einzigen wenigen Stellen dieser riesigen Insel, die eine begrenzte Landwirtschaft ermöglichen. Bereits die Wikinger hatten sich im Mittelalter dort angesiedelt und eine blühende Kolonie aufgebaut, bevor sie unter ungeklärten Umständen im 15. Jahrhundert ausstarben (vermutlich unter dem Druck der klimatischen Bedingungen der sogenannten kleinen Eiszeit und den Inuit der Thule-Kultur). Am selben Ort begann im späten 18. Jahrhundert erneute Siedlungstätigkeit mit Landwirtschaft, die bis zum heutigen Tage fortbesteht. Ruinen aus der Wikingerzeit, historische Bauten aus den vergangenen Jahrhunderten und moderne Gehöfte bilden eine einzigartige Einheit, die dazu führte, dass dieses Gebiet im Jahr 2017 zum Kujataa UNESCO-Weltkulturerbe erhoben wurde. Doch nicht weit entfernt, im übernächsten Fjord, befindet sich das Kvanefjeld, in dem eines der größten Vorkommen von Uran und seltenen Erden weltweit liegen soll. Nur wenige Kilometer entfernt davon liegt die Stadt Narsaq mit über 1.300 Einwohnern. Die Sorge, was bei dem drohenden Raubbau der Bodenschätze nicht nur mit dem Kujataa Weltkulturerbe, sondern überhaupt mit der grönländischen Landwirtschaft passieren würde, treibt Natur- und Umweltschützer schon lange um. Das Dänische Risø National Laboratory etwa schätzt, dass jährlich bis zu 1.000 Tonnen radioaktiven Staubs aus dem offenen Tagebau die Umgebung belasten würden. Dabei ist die natürliche Hintergrundstrahlung in Südgrönland in vielen Gebieten durch die vielen oberflächennahen Uran- und Thoriumvorkommen bereits deutlich erhöht.

Förderungen von Erdöl und Erdgas verbieten sich angesichts der Klimakrise im Grunde von selbst, dennoch bietet die grönländische Regierung offen und ohne jede Scham Lizenzen über tausende von Quadratkilometern auf See und in unberührter Landschaft an (siehe hier [bitte Link legen zu: Minerals and Petroleum Licence Map (arcgis.com)]). Für Grönland ist die Frage nach der Ausbeutung seiner Mineral- und Petrolvorkommen eine hochpolitische. Seit 1979 genießt die Insel, was ihre Innenpolitik angeht, völlige Autonomie, in der Außenpolitik wird sie hingegen vom einstigen Mutterland Dänemark vertreten. Nach wie vor sind die Grönländer auf hohe Subventionen aus Dänemark angewiesen, die meisten Produkte müssen teuer importiert werden. Eine Erschließung seiner Bodenschätze verspricht damit eine wirtschaftliche Unabhängigkeit, die den endgültigen Weg auch in die völlige politische Unabhängigkeit ebnen würde. Doch selbst offizielle Stellungnahmen aus Grönland sehen diesen Weg kritisch. Die Studie To the benefit of Greenland [bitte Link legen zu To_the_benefit_of_Greenland.pdf (ku.dk)] vom Komitee für Mineralvorkommen zum Wohle der Gesellschaft aus dem Jahr 2014 warnt vor einer allzu einseitigen Konzentrierung auf den Bergbau, da der damit einhergehende Wohlstand nur solange anhält, bis die Bodenschätze erschöpft sind. Vielmehr empfiehlt sie eine breite Streuung vielfältiger Investitionsgebiete, die den Bergbau zwar mitinbehalten, aber nicht an prominenteste Stelle setzen (Fischfang, Landwirtschaft, Tourismus, Handel etc.).

Außerdem müsste Grönland ca. 24 große Bergbauprojekte betreiben, um wirtschaftlich unabhängig zu werden. Eine so radikale Kehrtwende der grönländischen Ökonomie würde die heutige grönländische Gesellschaft ruinieren. Stattdessen empfiehlt das Komitee maximal fünf große Bergbauprojekte zu betreiben und besonders kleinere Minen zu fördern, die die Umwelt weniger belasten. Bergbau sollte „nur dort betrieben werden, wo er die Vielfalt der Wertschöpfung für die einheimische grönländische Bevölkerung unterstützt und wo im Vorhinaus abzusehen ist, dass negative Folgen für Umwelt und Gesellschaft ganz klar durch wirtschaftliche und soziale Vorteile aufgewogen werden.“ (Seite 22) Einen sehr viel schärferen Ton schlägt der Apell an die grönländische und dänische Regierung und die EU zum Schutze der grönländischen und arktischen Umwelt [mit Appeal to Greenlandic and Danish Governments (wordpress.com)] vom Januar 2021 an.

Dieser Aufruf, der von 141 Nicht-Regierungs-Organisationen unterzeichnet wurde, ist eine dringliche Warnung vor den negativen Umweltfolgen durch die Erschließung neuer Bohrfelder und Minen. Sie seien außerdem unvereinbar mit dem Pariser Abkommen von 2015 (dem Grönland noch nicht beigetreten ist!) und mit dem Nonproliferationsabkommen mit der IAEA. Die Unterzeichner appellieren daher, ein arktisches Schutzgebiet nach dem Vorbild des Antarktikvertrages zu schaffen, um die einzigartige Landschaft Grönlands zu bewahren. Gerade der Nonproliferationsvertrag mit der IAEA steht rechtlich im Grunde einer Ausbeutung der grönländischen Uranvorkommen entgegen. Doch selbst ohne ihn hätte es Grönland schwer, der internationalen Konkurrenz standzuhalten. Das Kvanefjeld-Vorkommen etwa würde ca. 2% zur globalen Uranproduktion beitragen, und es ist nach wie vor fraglich, ob dies überhaupt wirtschaftlich und ökonomisch sinnvoll geschehen könnte. Grönland steht am Scheideweg. Geht es den Weg in eine nachhaltige Zukunft oder bleibt es in den Fängen kurzfristigen Profitdenkens hängen?

Ein Arktisvertrag nach dem Vorbild des Antarktisvertrags von 1961 (mit der Zusatzklausel von 1991), der den Rohstoffabbau südlich des 60. Breitengrades blockiert, wäre das einzigartige Experiment, moderne Gesellschaft, moderne Technik und moderne Lebensweise mit Naturschutz zu verbinden. Ende Januar wurde bekannt, dass die grönländische Regierung dem französischen Nuklearunternehmen Orano die Erlaubnis erteilt hat, in zwei Gebieten Südwest- und Südostgrönlands Uranexploration zu betreiben.

Quellen: • Appeal to Greenlandic and Danish Governments (wordpress.com) • To_the_benefit_of_Greenland.pdf (ku.dk) • Mineral Resources Authority - Naalakkersuisut | Greenland (govmin.gl) • Minerals and Petroleum Licence Map (arcgis.com) • Kvanefjeld Rare Earth – Uranium Project - Mining Technology | Mining News and Views Updated Daily (mining-technology.com) • Focus: Greenland – Kvanefjeld – Uranium Network (uranium-network.org) • The plundering of Greenland | Beyond Nuclear International • Microsoft PowerPoint - 023_Thrane_Denmark.ppt [Compatibility Mode] (iaea.org) • Kujataa Greenland: Norse and Inuit Farming at the Edge of the Ice Cap - UNESCO World Heritage Centre • Kujataa auf Grönland: eine nordische und Inuit-Agrarlandschaft am Rand der Eisdecke | Deutsche UNESCO-Kommission • Kujataa – Wikipedia • Grönland – Wikipedia • Narsaq – Wikipedia • Darum zählt Südgrönland zum UNESCO-Weltkulturerbe - [Grönland besuchen!]


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