Aktuelle Infos zu Kernkraft und Atommüll-Endlagersuche
In Lobbyistenkreisen der Atomenergiebefürworter wird seit Bekanntwerden der Klimakrisenproblematik die Nachricht verbreitet, neue (und viele!) Atomkraftwerke seien der Weg in eine kohlendioxidfreie, klimaneutrale Zukunft. Atomenergie sei die Lösung für die Klimakrise, da bei der nuklearen Stromerzeugung keine Treibhausgase freigesetzt werden. Das bisschen Treibhausgas, das bei der Gewinnung, Verarbeitung und globalen Verteilung des benötigten Urans erzeugt würde, sei geradezu vernachlässigbar. Diese Argumente halten jedoch einem zweiten Blick nicht stand.
Atomkraftwerke decken heute gerade einmal 10% des weltweiten Strombedarfs ab. 430 Atomkraftwerke sind aktuell im Betrieb, größere Ausbaupläne gibt es allein in China, das plant, innerhalb des nächsten Jahrzehnts 43 neue Reaktoren in Betrieb zu nehmen. Der Bau eines Atomkraftwerks dauert jedoch mindestens 5 Jahre (kann sich aber auch über 10 oder mehr Jahre hinziehen), sein Abbau bis zu 30 Jahre! Ganz zu schweigen von der immer noch ungelösten Endlagerproblematik für den Atommüll. Außerdem sind Atomkraftwerke in ihrer Stromerzeugung sehr unflexibel. Sie können schlecht auf kurzfristige Änderungen des Strombezugs reagieren.
Wollte die Menschheit also ihre Stromerzeugung mit Schwerpunkt auf Atomenergie umstellen, setzt sie damit auf ein unsicheres Pferd, das außerdem auf einen nur begrenzt verfügbaren Rohstoff angewiesen ist. Dieser setzt zwar direkt keine Treibhausgase frei (sehr wohl jedoch bei Vorprozessen…), wird in den bestehenden Reaktoren jedoch nur sehr ineffizient genutzt.
Generation IV-Reaktoren, wie sie etwa Bill Gates 2006 gegründetes Unternehmen Terra Powers entwickelt, wären zwar effizienter und würden auch Kernbrennstoffe mit größerer Verfügbarkeit nutzen (etwa Thorium), sind jedoch von einer möglichen Einsatzbereitschaft noch Jahrzehnte entfernt. Man müsste die Stromerzeugung via Atomkraft nicht nur ausbauen, sondern auch noch auf eine noch nicht wirklich erforschte (und damit beherrschte) Technologie umbauen. Vom Timing der nötigen Energiewende her ist das zeitlich nicht zu schaffen, denn diese muss JETZT stattfinden, nicht in 10, 20 oder 30 Jahren.
Und außerdem schwebt spätestens hier die Frage im Raum: Was soll das alles kosten? Und wer soll das bezahlen?
Und hier wird endgültig deutlich, dass Kernenergie nicht der heilige Gral ist, den sich die Wissenschaftler in den1950er Jahren versprochen hatten und den die Atomlobbyisten bis heute versprechen. Im Gegenteil Kernenergie ist ein beispielloses Milliardengrab, das Dollar, Euro, Yuan und Yen gefräßiger verschlingt als ein schwarzes Loch. Allein die staatliche Förderung der Kernenergie in Deutschland beträgt laut aktueller Studie des FÖS (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) im Zeitraum 1955-2022 inflationsbereinigt rund 287 Milliarden Euro. Dies entspricht umgerechnet etwa 4,67 Cent/kWh, von denen mehr als die Hälfte (rund 2,4 Cent/kWh) nicht im Strompreis enthalten und damit eine „versteckte Hypothekt" sind.
Die gesamtgesellschaftlichen Kosten sind jedoch noch weit höher. Sie setzen sich zusammen aus:
· dem Marktwert (Verkaufspreis des Stromes)
· staatlichen Förderungen (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen)
· externen Kosten
Die Studie Gesamtgesellschaftliche Kosten der Atomenergie in Deutschland des FÖS konnte für den Zeitraum von 2007 bis 2019 hierzu eine realistische Kostenabschätzung abgeben. Sie belief sich auf 25-39 Cent/kWh, wovon 21-34 Cent/kWh nicht im Strompreis mitenthalten sind (versteckte Kosten). Die gesamtgesellschaftlichen Kosten werden vom FÖS in diesen 12 Jahren daher auf 348-533 Milliarden Euro beziffert. Bei Annahme eines ähnlichen Kilowattstundenpreises wie oben angegeben, kommt die Studie insgesamt auf eine Schätzung von über 1 Billion Euro, die die Atomenergie den deutschen Staat seit 1955 gekostet hat.
Es ist vor allem die Grauzone der externen Kosten, die die Summen derart in die Höhe treibt. Damit sind Kosten gemeint, "...die nicht von den Verursachern (z.B. Betreibern der Atomkraftwerke) getragen werden, sondern für die die Gesellschaft infolge von Umweltbelastungen aufkommen muss." (FÖS 2020, S. 42, siehe Quellen). Bei Kernkraftwerken schwant einem vielleicht schon, was das bedeutet...
Die externen Kosten für Atomenergie sind naturgemäß extrem schwer zu beziffern. Es liegen Schätzungen zwischen 0,1 Cent/kWh und 320 Cent/kWh vor. Das FÖS gab in einer früheren Studie von 2012 (Externe Kosten der Atomenergie, siehe Quellen) einen geschätzten Wert von 10,7-34 Cent/KWh unter Einbeziehung einer möglichst realistischen Schätzung möglicher Gefahren und Risiken an.
Diese umfassen:
· Unfälle, bei denen radioaktive Strahlung freigesetzt wird
· Folgekosten durch Abbau und Verarbeitung von Uran
· Gefahr terroristischer Anschläge auf Atomkraftwerke
· Gefahr der Proliferation (unkontrollierte Verbreitung von spaltbarem, bombenfähigem Material)
· Folgekosten und -risiken der Endlagerung (soweit nicht vom Betreiber getragen).
In der neuen Studie von 2020 gibt das FÖS die externen Kosten für Nuklearenergie mit einer Bandbreite von 20,81 Cent/kWh und 34,3 Cent/kWh an. Die Schätzung hat sich im Laufe der Jahre also in den mittleren bis oberen Bereich verschoben.
Effizient oder gar kostengünstig (von risikofrei ganz zu schweigen) kann man das nicht nennen. Besonders wenn man bedenkt, dass der Brennstoff für Kernkraftwerke ebenso endlich ist, wie die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas und der Urangehalt im Erz abnimmt.
Erneuerbare Energien wie Wasserkraft, Windkraft und Sonnenenergie greifen hingegen nicht nur nicht auf begrenzte Ressourcen zurück, sie waren schon vor einigen Jahren günstiger als fossile Energien und Atomkraft. In einer 2017 erschienen Studie (Was Strom wirklich kostet, siehe Quellen) verglich das FÖS die Vollkosten neuer Anlagen miteinander und legte sie auf den Kilowattstundenpreis um. Das Ergebnis:
Windstrom kostete 4,1-8,5 Cent/kWh und Photovoltaik 7,0-12,7 Cent/kWh. Braunkohle, Steinkohle und Erdgas bewegten sich zwischen 11,3 Cent/kWh und 18,9 Cent/kWh, Atomstrom hingegen wurde mit 18,7-47,3 Cent/kWh beziffert.
Derart in die Enge getrieben holen Atomkraftbefürworter am Ende gerne die Kosten für die Energiewende hervor. Die deutsche Bundesregierung schätzt diese bis Mitte des Jahrhunderts auf etwa 550 Milliarden Euro, andere Schätzungen reichen bis 3 Billionen Euro. Macht sich die geschätzte Billion für die Kernkraft seit 1955 dagegen so schlecht?
Gerne wird dabei jedoch übersehen, dass es sich bei diesen Ausgaben um eine echte Zukunftsinvestition handelt. Die latent drohenden Umwelt- und damit Gesundheits-belastungen für die Menschen würden besonders im Vergleich zur Atomenergie dramatisch zusammenschrumpfen, der Graubereich der externen Kosten deutlich transparenter werden.
Hinzu kommen noch die Kosten für den Klimawandel, die durch den energischen Ausbau der erneuerbaren Energie deutlich sinken würden. 2013 bezifferte das DIW (Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung) den volkswirtschaftlichen Schaden durch den Klimawandel bis 2050 auf 800 Milliarden Euro, würde nichts oder zu wenig unternommen werden. Bis 2100 könnte sich dieser Betrag auf 3 Billionen erhöhen.
Mit einer Investition dieses Geldes in erneuerbare Energien würde dieser Verlust deutlich abgefedert. Mit einer Investition in neue Kernkraftwerke wird dagegen nur die Hypothek für die Zukunft vergrößert.
Zusammengestellt von Philipp Kronbichler und Renate Brandner-Weiß
Fotoquelle: http://solarmedia.blogspot.com/2013/11/atomstrom-kostet-36-rappen-pro-kwh.html
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrizit%C3%A4t/Tabellen_und_Grafiken
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