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Der Krieg Russlands in der Ukraine dauert bereits eineinhalb Jahre und damit wesentlich länger als wohl irgendjemand im Februar 2022 gedacht hat. Während dieser Zeit blieb die EU nicht untätig und neben Waffenlieferungen und der Aufnahme der Flüchtlinge aus der Ukraine konnten sich die Mitgliedsstaaten auch auf zahlreiche Sanktionen einigen. Deren Zweck ist vor allem die Schädigung der russischen Wirtschaft und insbesondere der Industrie, die auch direkt der Kriegsführung dient.
Sanktioniert wurden in den ersten 11 Sanktionspaketen schrittweise Spitzentechnologie, besondere Maschinen und Fahrzeuge, Technologien und Dienstleistungen für die Energiewirtschaft, für die Luft- und Raumfahrtindustrie und natürlich „dual use“, die Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden könnten.
Und, was nicht dabei ist und weiterhin kooperiert und importiert: Die Atomindustrie, die sich gerne als Weg in die autarke Stromversorgung präsentiert.
Wie wichtig die Lieferungen des russischen Staatskonzerns Rosatom sind, sah man wenige Tage nach dem Einmarsch in der Ukraine, als das Flugverbot immer wieder aufgehoben wurde, weil die Slowakei und die Tschechische Republik ihre Lieferungen von frischem Nuklearbrennstoff für ihre AKWs Mochovce, Bohunice und Dukovany benötigten.
Es gab vereinzelte Vorstöße für die Einführung von EU-Sanktionen im Nuklearbereich, aber diese wurden vor allem von Ungarn, Bulgarien und etwas diskreter Frankreich verhindert. In den letzten Tagen wurde weitere Bestrebungen vor allem von Litauen bekannt. Litauen stellte seinen Vorschlag vor, der die bisherige Blockade im EU-Rat, der die Sanktionen einstimmig beschließen muss, überwinden soll: Mit dem Zwiebelmodell bestehend aus sieben Einzelsanktionen, d.h. es kann Sanktionen gegen Einzelpersonen im Vorstand von Rosatom geben, oder etwa gegen Neubauprojekte usw.
Von Anfang bemühte sich das Europäische Parlament um Sanktionen gegen die russische Nuklearindustrie. Etwa auch auf Einladung des Abgeordneten und Koordinatoren des United for Ukraine Networks, Andrius Kubelius, fand eine kleine Konferenz am 25. April 2023 im Europäischen Parlament statt. Ebenso für Sanktionen gegen Rosatom ausgesprochen hat sich dort der Botschafter der Ukraine bei der EU Vsevolod Chentsov, sowie die Präsidentin des ukrainischen Thinktanks DiXigroup sowie ein Vertreter des ukrainischen Energieversorger Energoatom. Zu den Verflechtungen der westlichen Atomindustrie mit der russischen sprach Patricia Lorenz basierend auf ihrem Bericht „Russian Grip on EU Nuclear Power“
Download unter:
https://wua-wien.at/images/stories/publikationen/russian-grip-on-eu-nuclear-power.pdf
In der EU gibt es 18 VVER-Reaktoren, die insbesondere von dem von TVEL/Rosatom gelieferten Nuklearbrennstoff abhängig sind. Doch nun hat der US-Hersteller von Reaktoren und Brennstoffen Westinghouse verlautbart, ab 2024 auch für die VVER-440-Reaktoren Brennstoff liefern zu können, was vor allem für die Slowakei von Bedeutung ist, werden doch 50% des Stroms in 2 Blöcken in Bohunice und 2 in Mochovce mit VVER-440-Reaktoren erzeugt. Für Ungarn handelt es sich um die 4 Blöcke von Paks I.
Paks II, welches seit 2014 in Bau ist und das mit Hilfe von Rosatom und 10 Milliarden Kredit aus Russland, ist zurzeit extrem umstritten. Das von Rosatom für die eigenen Reaktoren verwendete System für die Steuerung der Reaktoren vorwendete I&C (Instrumentation & Control System) hat die deutsche Regierung noch immer nicht für den Export genehmigt. Ein Stopp dieses Systems würde die russische Expansionspolitik über den Export von AKW und benötigtem Brennstoff und Service unmöglich machen; zumindest bis ein Ersatz für dieses System von Siemens/Framatome gefunden ist, was bei einem solchen High-tech-Produkt nicht binnen Monaten oder wenigen Jahren sein wird.
Wer über die Abhängigkeiten der Atomindustrie mehr wissen möchte, dem sei die Aufzeichnung der Veranstaltung im Europäischen Parlament zum Nachsehen und –hören auf youtube empfohlen:
Link: https://www.youtube.com/watch?v=qkM6e2NtzaY
Verfasst von Patricia LORENZ, bearbeitet von Renate Brandner-Weiß.
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