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„Tschechische Atompläne in instabilen Zeiten“ - Hochkaräte Diskussionsrunde in Prag

7.11.2022

Am 1.11 fand auf Einladung der Umweltschutzorganisationen Calla und Hnutí Duha eine Diskussion zum Thema „Tschechische Atompläne in instabilen Zeiten“ statt. Eine sehr interessante Runde fand sich dazu ein: Neben Tomáš Ehler, dem für Atompolitik direkt zuständigen Vizeminister im Industrieministerium (MPO), war auch Jan Dusík als Vizeminister für Klimaschutz aus dem Umweltministerium am Panel. Weiters wurde die Herrenrunde durch den ehemaligen Premierminister und EU-Kommissar Vladimír Špidla, eh. Regierungschef und EU-Kommissar und den einflussreichen Abgeordneten im Europäischen Parlament Luděk Niedermayer (EPP, Vizevorsitzender des Wirtschaftsausschusses ECON) bereichert. Brilliant gefragt und moderiert wurde von der Fernsehmoderatorin Marie Bastlová.

Während Vladimír Špidla einen unterschätzten Aspekt in die Diskussion einbrachte, nämlich die des sozialen Zusammenhalts als Bedingung für einen gelungenen Übergang zu einem funktionierenden Energiesystem, brachte der Europaabgeordnete die Regierungsvertreter mit seinem Wissen gehörig unter Druck.

Zu den Hauptsträngen der pronuklearen Argumentation zählen die pronukleare Einstellung der Bevölkerung und die günstigen Kosten für den Mix aus mehreren Atomreaktoren, kleineren Reaktoren (SMR) und Erneuerbarenausbau, der vom Vertreter des Industrieministeriums präsentiert wurde. Allerdings zeigten laut MEP Niedermayer die jüngsten Umfragen unter der tschechischen Bevölkerung folgende Reihung für die präferierten Energien: Wasserkraft, Sonne, Winter und Biomasse – Atomenergie erst als fünftgereihte. Dazu meinte der MPO-Vertreter einfach nur, dass es eben viele Umfragen gäbe. Ebenso häufig argumentierte T. Ehler mit einem Trend zur Atomenergie in anderen EU-Staaten und der EU-Kommission, wobei selbst bei zweiterer dies nicht ganz richtig ist. Die Aufnahme der Atomenergie in die EU-Taxonomie erfolgte auf Druck bestimmter Mitgliedstaaten, Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans ist sicher kein Verfechter der Atomenergie, im Gegenteil.

Erst auf Nachfrage ging T. Ehler auf den Hinweis ein, dass die von der Regierung angeführten Kosten für den in den neuen AKW erzeugten Strom von 50 – 80 MWh vollkommen unrealistisch sind und etwa von der Investmentbank Lazard mit 140-200 MWh angeführt werden; die aktuellen Erfahrungen mit 20-jährigen Bauzeiten bestätigen die höchsten Annahmen. Er schreckte selbst nicht davor zurück, die in Polen geleakten Zahlen der angeblichen Reaktorherstellerangebote zu zitieren und zog sich ganz allgemein auf die Feststellung zurück, dass es viele Studien und Methoden gäbe.

Das Beispiel des in Frankreich in Bau befindlichen EPR-Reaktors, dessen Errichtungskosten sich von 3,3 auf aktuelle 19 Milliarden Euro erhöhten, bezeichnet er als Lernkurve. Wer es genau wissen möchte: Diese Zahlen stammen vom französischen Rechnungshof, der die Kosten für die MWh aus Flamanville mit 110-120 MWh anführt. Ebenso mit unbegründetem Optimismus wurde die Frage offengelassen, wie die massiven Unsicherheiten bei der geplanten Errichtung von noch nicht existierenden 1200-MW-Reaktoren und SMRs abgemindert werden. Zu den noch nicht lizensierten SMR merkte der Europaabgeordnete Luděk Niedermayer an, er hoffe nicht, dass die Tschechische Republik zum Testgelände für diese unerprobten Technologien werden wird.

Kurz:
Das Industrieministerium in Prag fährt Atomkurs ohne Rücksicht auf lästige Zahlen …

Zusammengestellt von Patricia Lorenz, bearbeitet von Renate Brandner-Weiß.


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