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Zäh und kompliziert spinnt sich die Umsetzung der Taxonomie-Verordnung durch das politische Leben der EU. Hin und wieder dringt Aufregung durch, wie im April 2021, als es um die Annahme des 1. Delegierten Rechtsaktes ging. Kurz gesagt: Darin sollte stehen, welche Kriterien zu erfüllen sind, um als GRÜNES INVESTMENT zu gelten. So ist etwa Kohle bereits vor Jahren ausgeschieden, Atom war einfach nicht genannt. Aus diesem Grund ließ die EU-Kommission auf Druck der Atomfreundlichen Industrielobbys und einiger EU-Staaten einen Bericht anfertigen.
Wobei der Ausgangspunkt der EU-Kommission zunächst wirklich konsequent und anspruchsvoll war. Der von hochrangigen ExpertInnen ausgearbeitete Endbericht der Technical Expert Group (TEG) im März 2020 sagte zur Atomenergie im Annex ganz klar: “[…] es war der TEG wie auch deren Mitgliedern nicht möglich zur Feststellung zu gelangen, wonach bei der Wertschöpfungskette der Kernenergie signifikante Schäden für die anderen Umweltziele in den betrachteten Zeiträumen ausgeschlossen werden können.
Die TEG konnte daher die Aufnahme von Atomenergie in die Taxonomie zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfehlen.”(TEG Report Annex 2020, S. 211). Wo die Unklarheit liegt, ist nicht nachvollziehbar, auf jeden Fall gab es von erwartbarer Seite heftigsten Widerstand. Zurück zum Inhalt des TEG-Bericht und dessen Argumentationslinie, der sich vor allem über die ungelöste Atommüllfrage besorgt zeigte.
Grundlage für die ganze Übung, ist die Taxonomie-Verordnung, die am 12. Juli 2020 in Kraft trat. Diese beauftragt die EU-Kommission eine Liste von nachhaltigen Tätigkeiten (Aufzählung=Taxonomie) auszuarbeiten, indem technische Screening-Kriterien für jedes Umweltziel vorgeschlagen werden. Diese werden als sogenannter Delegierter Rechtsakt von der EU-Kommission ausgearbeitet. Gegenüber dem üblichen Beschlussverfahren mit Mitentscheidung, Vermittlung, qualifizierten Mehrheiten usw. kann bei einem Delegierten Rechtsakt der Rat und das Europäische Parlament nur das ganzen annehmen oder ablehnen, ohne Abänderungen.
Der erste war für 21. April angesetzt, selbst für alte Hasen und Häsinnen im EU-Geschäft kam es zu heftigstem Lobbying und Änderungen bis zur letzten Minute, so wollte Frankreich einfach den ganzen Delegierten Akt verschieben, bis Atomenergie den eigenartigen Prozess durchlaufen hat und einfach aufgenommen werden kann. Noch in der Nacht vor der Verabschiedung durch das College, d.h. die EU Kommission, haben sich die Regierungschef Bulgariens, Zyperns, der Tschechischen Republik, Ungarns, Maltas, Polens und Rumänien und der Slowakei dagegen ausgesprochen, Atom und Gas auszuschließen und einem weiteren Beschluss im Herbst zu behandeln.
Zurück zum TEG-Bericht, der klar genug war, allerdings wurden dann “echte“ Atomexperten mit der Aufgabe betraut, sich dieser Frage anzunehmen, nämlich die vom JRC – Joint Research Center, welches in seinem Gründungsjahr 1975 noch “Plutoniuminstitut“ genannt werden sollte. Rechtsbasis ist der EURATOM-Vertrag, also ist die Mission ohnehin ganz klar!
Einige Wochen forderten die NGOs die EU-Kommission dazu auf, von der geplanten “Geheimhaltung“ (ja, 2021) abzusehen. Das tat sie natürlich nicht, aber dank Email war der Bericht in wenigen Stunden publik. Und noch ein interessantes Detail: Der wissenschaftliche und faktenbasierte Bericht liegt nun vor – ohne Nennung der Autoren. Das ist angesichts des Inhalts nachvollziehbar, aber doch nicht ganz wissenschaftlich und das erste Mal, dass das JRC so vorgeht.
Die nächsten Schritte sind somit: Die Übermittlung an zwei Komitees, die eine Stellungnahme zu dem Bericht vorlegen sollen, bis Ende Juni 2021. Nein, die Damen und Herrn in den Art. 31 EURATOM –Expertengruppe und SCHEER der DG Health sind keine Experten für Kernenergie von Atommüll bis Zirkoniumlegierung von Brennstäben. Sie können Fragen stellen und eigene Stellungnahmen beauftragen.
So lautet das Mandat für die SCHEER-Expertengruppe den JRC-Bericht gemäß den Artikeln 17 und 19 zu bewerten, die den rechtlichen Rahmen für das Do No Significant Harm Prinzip begründen, wonach auszuschließen sind Tätigkeiten, wo:
“(iii) die langfristige Abfallbeseitigung eine erhebliche und langfristige Beeinträchtigung der Umwelt verursachen kann; und e) die Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, wenn diese Tätigkeit — im Vergleich zur Lage vor Beginn der Tätigkeit — zu einem erheblichen Anstieg der Schadstoffemissionen in Luft, Wasser oder Boden führt;
Und Artikel 19: (f) sich auf schlüssige wissenschaftliche Erkenntnisse und auf das in Artikel 191 AEUV verankerte Vorsorgeprinzip stützen und g) dem Lebenszyklus sowie den Erkenntnissen aus vorhandenen Lebenszyklusanalysen Rechnung tragen, indem sowohl die Umweltauswirkung der Wirtschaftstätigkeit selbst als auch die Umwelteinwirkungen der durch sie bereitgestellten Produkte und Dienstleistungen berücksichtigt werden, insbesondere durch Beachtung der Herstellung, der Verwendung und des Endes der Lebensdauer dieser Produkte und Dienstleistungen;
Und wie wichtig ist nun, ob die Atomenergie in der Taxonomie aufgenommen wird oder nicht? Ist die Finanzierung nicht ohnehin bereits zu 100% subventioniert? Praktisch wird es kaum einen Unterschied geben, denn kommerzielle Kredite gibt es für AKW ohnehin nicht. Der Imageschaden wäre allerdings sehr hoch und wenn es ganz konsequent durchgezogen würde, könnte sogar der Fall eintreten, dass die Subventionen für Atomenergie ohne Nachhaltigskeitsmascherl nicht mehr möglich wären. In Kürze soll ein kritischer Bericht zum genannten JRC-Bericht vorgestellt werden, der die Dreistigkeiten der Atomlobby aufzeigt.
Verfasst von Patricia LORENZ, bearbeitet von Renate Brandner-Weiß.
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